Montag, 18. September 2006
dominoeffekt
oder: starbucks, bauchtanz, sumo.

entschuldigende vorrede: ja, ich weiss und stimme zu - die generalregel lautet "starbucks sucks.", starbucks ist eine krake. ABER. manchmal sind mir auch kraken sympatisch. oder, sagen wir, vermitteln eine gewisse waerme. es hebt jedenfalls meine stimmung sehr gewaltig, gibt mir ein gefuehl von zu hause sein, einen recht ordentlichen kakao zu sueffeln. mit leckerer schlagsahne. und den gibt es hier nunmal quasi ausschliesslich bei starbucks. nun kann mensch durchaus drueber diskutieren, ob so ein heimisch-gefuehl wirklich noetig ist, und welche konsequenzen solche wuensche und beduerfnisse haben (kritische kommentare willkommen!), welche dominanz- und verdraengungsmechanismen sie unterstuetzen. aber, doch, momentan macht es fuer mich das leben hier einfacher und angenehmer. *beichtet*
am rande, aus gleichen gruenden hege ich eine gewisse sympathie fuer ikea in tokyo.
noch ein pro-starbucks-punkt: in japan waren sie diejenigen, die die option nichtraucher-restaurant bzw. nichtraucher-area in restaurants eroeffneten sowie diejenigen, die dafuer sorgten, dass mensch einigermassen geniessbaren kaffee zu einigermassen ordentlichen preisen bekommen kann.

nun zu meinem dominoeffekt-wochenende.
stein nr. 1:
der gestrige samstag fing an, wie ein ordentlicher samstag zu beginnen hat - spaet. halb drei aufgestanden. und anschliessend bei "la vie de france" am bahnhof vorbeigeschnippst zum wochenend-fruehstuecks-backwaren-kauf und zu starbucks rein auf nen wochenend-fruehstuecks-kakao. und zum zeitunglesen (jaha, junge welt. von letzter woche.).
ich les so vor mich hin. ein typ setzt sich neben mich. ich les. der typ starr mich an. hallo? wir sind in japan! da gehoert sich das nun ganz und gar nicht. kurzer blick. westlicher auslaender, aha. ich les weiter. er starrt weiter. er faengt an mich vollzulabern. was zum teufel??? er ist hartnaeckig. laesst sich von einsilbigen antworten nicht abschrecken. und schafft es irgendwann, mich in ein gespraech zu verwickeln, mich zu interessieren. die nackten fakten: rod ist australier mit deutschem familienhintergrund (was ein zufall ;-) ), seit 7 jahren in japan, hat seine eigene firma (coaching von lebens-, unternehmens- und sprach-faehigkeiten - jetzt mal ganz frei uebersetzt), spricht dennoch kaum japanisch, hat aber ne japanische frau oder freundin und ne menge bekannte hier (was sich im laufe des gespraechs in verschiedenen hallo-sagenden menschen manifestiert) und nen ziemlichen esoterikeinschlag. zusammen also: eine recht durchwachsene persoenlichkeit. und das wesentliche - ausserdem hat er geburtstag grade. was schliesslich in eine einladung zur abendlichen party in nem iranischen restaurant fuehrt. mit bauchtanz! ich hab nix festes bisher vor (gut, eine lesbenparty angedacht, aber so ganz allein hab ich immer wieder nicht den zug dazu...). daher - warum eigentlich nicht?

stein nr. 2:
also, auf nach koenji am samstag abend. mit der option, falls das treffen nicht klappt oder es mir nicht zusagt, immer noch zum ausgehen nach shinjuku weiterfahren zu koennen. aber, kein bedarf. eine angenehme mischung an leuten: japanerInnen, einige native english speaker, die alle mehr oder weniger in der teaching-branche taetig sind, ein argentinier, ich. das restaurant ist gut. die bauchtanz-einlage schick und amusant. und die gespraeche interessant. endlich mal abseits vom kollegen-talk. zum teil drehen sie sich um die typischen auslaendererfahrungen in japan, wobei die je nach herkunft schon sehr verschieden aufgenommen werden. teils geht es um berlin, wo rods freundin resa und deren freundin mamie grad fuer zweieinhalb wochen waren. teils geht es darum, weitere moeglichkeiten fuer gemeinsame unternehmungen zu auszuchecken. wandern gehen z.b. mit resa und emily, die aus trinidad und tobago kommt, hier auch erst seit 4 wochen ist und - eben - englisch lehrt. vielleicht kommt auch mal ne einfuehrung in die hiesige queere szene in shinjuku-ni-chome, dem schoeneberg tokyos heraus, denn mamie ist lesbisch und da wohl momentan doll unterwegs. laut resa. der direkte kontakt bestaltet sich etwas schwer, da mamies englisch-kenntnisse nicht sehr ausgepraegt, naja und meine japanisch-faehigkeiten noch viiiieeel beschraenkter sind. schaun mer mal.
und dann hab ich noch ein richtig gutes gespraech mit resa ueber sozial-kulturelle aehnlichkeiten und differenzen. die hohe integrationsunwilligkeit beider (der deutschen wie der japanischen) gesellschaften. wobei japan dafuer mit seiner insellage ja irgendwo noch nen nachvollziehbaren hintergrund hat. neuer konservatismus bei japanischen jugendlichen. umgang mit der (eigenen) geschichte. die ignoranz japans seinen verbrechen im 2.wk gegenueber. die aktuelle - aus resas sicht - extrem rechts-konservative japanische regierung.
dieses gespraech ist daher so beeindruckend fuer mich, da bisher keineR meiner japanischen bekanntschaften je ueber politik redete. und wenn es um kritik an der japanischen gesellschaft ging, ueberwiegend in verteidigungsposition gegangen wurde - z.b. yasuko, die das problem der diskriminierung nicht-heterosexueller lebensweisen rundweg abstritt und die, philippe-berichten zufolge, auch sonst bei japankritik zu veraergerung neigte. sicher, der kreis der bisherigen bekanntschaften ist nicht riesig. und sicher wenig repraesentativ. vielleicht - hoffentlich - aendert sich das bild.

stein nr. 3:
mehrseitiges interesse an gemeinsamen aktivitaeten fuehrt zunaechst einmal dazu, dass ich mich fuer sonntag mit emily zum tokyo-sightseeing verabrede. und zwar zum tempelbesuch in asakusa (asakusa-kannon-tempel oder sensoji-tempel), einem der aeltesten bezirke tokyos (oder wie der baedeker sagt: "eine kernzelle der edokko-urbewohner von edo", wobei edo der alte name tokyos ist).
gross. schick. beeindruckend. etwas verwirrend fuer antinationalistisch-deutsche augen wie meine die immerwiederkehrenden und prominent plazierten hakenkreuze, d.h. spiegelverkehrte hakenkreuze. mir ist schon klar, dass das "einfach" das buddhistische glueckssymbol ist. dennoch ein merkwuerdiges gefuehl.

eine kleine bilderserie zum tempel:
der haupteingang. danach folgt erstmal eine laaange strasse mit verkaufsstaenden - traditionelle bekleidung, handwerk, aber auch eher neu-weltliche dinge wie anhaengsel fuers mobiltelefon, damenhandtaschen, herrenanzuege, alles moegliche zu essen (mitbringsel sind hier ja ueberaus wichtig!).
der haupttempel.
und sein inneres. inklusive eines der angesprochenen verwirrenden glueckssymbole.
die pagode.

anschliessend noch das umliegende viertel etwas erkundet und mit reiskuchen (oder wie auch immer die "korrekte" bezeichnung ist - eine zaehe, leicht klebrige und allein eher geschmacksarme sache) in verschiedenen varianten den magen zum (nach)mittag gefuellt. ungluecklicherweise haben wir - wie ich spaeter feststellte - es verpasst, auch gleich noch den direkt neben dem tempel gelegenen shinto-schrein zu besuchen. *seufz* am rande bemerkt, so eintraechtig wie hier schrein neben tempel liegt, werden diese beiden religionen hier auch praktiziert. die eine schliesst die andere nicht aus. die ueberwiegende zahl der japanerInnen versteht sich sowohl als buddhistisch als auch als shintoistisch. wenn die "monotheistischen weltreligionen" das auch mal so hinbekommen taeten...

aber ich schweife ab. da es noch recht frueh am tag war, entschlossen emily und ich uns noch einfach zwei metro-stationen weiter zu fahren und ins sumo-museum zu gehen. glueck einerseits, pech andererseits - es ist gerade sumo-saison (die ist im uebrigen 3x im jahr - september, januar, mai - fuer jeweils zwei wochen). d.h. wir bekamen eine menge sumo-kaempfer im ausgang zu gesicht. auf dem weg zur wie von der kampfarea. aber wir kamen nicht ins sumo-museum, da das waehrend der kaempfe allein mit ticket moeglich ist. und die sind freilich ausverkauft. dann also ein andermal.


fazit: ein rundum ueberraschendes wochenende hat sich spontan ergeben. voellig vom vorherigen plan (ausschlafen, lesen, faulenzen) abweichend. aber sehr ergiebig. sehr angenehm. und, so hoffe ich, mit anhaltender wirkung.
und starbucks bekommt dafuer einen weiteren halben sympathiepunkt.

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